
Städtebau
Städtebaulich ist diese einzelne Fläche im Kräthenbach-Biotop zudem völlig ungeeignet
Es ist völlig unüblich und auch nicht gewünscht, einzelne Teilflächen eines einzelnen Eigentümers bei einer Planung aus einem Gebiet heraus zu nehmen. Das stellt keine vernünftige Städteplanung dar.
Rechtlich ist zu ergänzen, dass bei mehr als zehn Neubauten es sich qua Definition um ein großes Neubaugebiet handeln würde, das wiederum nicht mehr mit dem §13a BauGB zu vereinbaren ist und auch keine „Verlängerung“ von irgendetwas darstellt. Der Begriff „Verlängerung Rhönstraße“ ist wie bereits erwähnt begrifflich ohnehin schlichte Schönfärberei; letztlich würde in das geschützte Feuchtbiotop Kräthenbach hinein gebaut, das strengeren Regulierungen unterliegt.
Die Rhönstraße war zudem nie für eine Verlängerung angedacht und so ist auch der Bodenbelag der Spielstraße mit Pflastersteinen versehen und nicht mit einer Asphaltdecke. Einen Bürgersteig gibt es nicht. Bei einer Erweiterung müsste das ebenfalls baulich verändert werden.
Weiterhin ist anzumerken, dass die Straße ohne Wendemöglichkeit am Ende nicht beliebig verlängert werden kann. Das schränkt schon die Bebauungsmöglichkeit entsprechend ein.
Unsere Bürgerinitiative fragt sich zudem, wie und wo der Abwasserkanal gelegt werden soll. Dieser müsste vermutlich durch die ganze Feuchtwiese des Kräthenbach-Biotops führen, im Anschluss an das bewaldete Grundstück, um das es aktuell geht. Das würde noch mehr Zerstörung bedeuten und das Tor öffnen für die gesamte Bebauung dieses schützenswerten Biotops, also der gesamten ca. 15.000 m².
Politische Versprechungen und städtebauliche Einordnung
Im Koalitionvertrag von CDU, FDP und SPD selbst steht explizit:
”Wir werden die vorhandenen innerstädtischen Grünflächen erhalten, damit unser Stadtbild nicht nur aus Beton besteht und die Flächen in den Stadtvierteln nicht maximal versiegelt werden.”
Was soll man dazu noch sagen? Es spricht bedauerlicherweise für sich. Und nicht für die Verlässlichkeit von politischen Aussagen seitens der aktuellen Koalition aus CDU, FDP und SPD.
Was den Vergleich mit dem Gebiet westlich der Ruppertshainer Straße angeht - wie er in den ersten beiden Anträgen formuliert wurde -, der im Antrag gezogen wird, ist zu sagen, dass nach all diesen Informationen, die gerade genannt wurden, diese beiden Gebiete absolut nicht vergleichbar sind. Das konkrete Grundstück in der Lage Kräthenbach hat eine wesentlich höhere Vielfalt an ökologischer Schutzfunktion und eine weitaus größere Wertigkeit für Hochwasserschutz und Biodiversität. Was das Ortsbild betrifft ist ein Vergleich auch hinfällig. Beim Gebiet westlich der Ruppertshainer Straße sollte der Ortsausgang bündig abgeschlossen werden, so dass auf beiden Seite bebaut wird. Das kann man an dieser Stelle in keiner Weise erkennen.
Bebauungsplan im Schnellverfahren?
Es soll ein Bebauungsplan im Schnellverfahren (§ 13a BauGB) aufgestellt werden, der lediglich einer/ m Eigentümer-in hinsichtlich Bodenpreisentwicklung zu Gute kommt und hinsichtlich der Bebauung mit Doppelhaushälften auch bei der Wohnraumverfügbarkeit keinen relevanten Beitrag leistet – während die negativen ökologischen Auswirkungen augenscheinlich und proportional um Längen größer sind. Das beschleunigte Verfahren soll das Bauvorhaben “möglichst geräuschlos” und unter Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung realisieren. Gerade bei diesem Gebiet ist ein öffentlicher Diskurs hinsichtlich der weiteren Siedlungsentwicklung unseres Erachtens unerlässlich!
Das beschleunigte Verfahren hat jedoch keine Auswirkungen auf die Verpflichtungen zum Gebietsschutz und zum Artenschutz in der Bauleitplanung. Die Artenschutzprüfung durch die Gemeinde/den Kreis ist daher weiterhin notwendig und zu dokumentieren. Auch der Schutz geschützter Landschaftsbestandteile nach § 29 BNatSchG und gesetzlich geschützter Biotope nach § 30 BNatSchG muss beachtet werden.
Ausschluss des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB:
„Das beschleunigte Verfahren ist ausgeschlossen, wenn durch den Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben begründet wird, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen. Das beschleunigte Verfahren ist auch ausgeschlossen, wenn Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.“
Nach Ansicht unserer Bürgerinitiative sollte rechtlich geprüft werden, ob gemeindliche oder naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte geltend gemacht werden können. Nicht die Bebauung mit Doppelhaushälften sondern der Natur- und Artenschutz dienen hier dem Allgemeinwohl.
Mit dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan würde sich die sukzessive Bebauung der gesamten 15.000 m² in Salami-Taktik fortsetzen und den Fortbestand dieses ökologischen Rückzugsgebietes mehr als gefährden.
Am 01.November 2022 wurde in der Stadtverordnetenversammlung mit der Mehrheit der Koalition aus CDU, FDP und SPD der Aufstellungsbeschluss für eine Bebauungsplanung im regulären Verfahren verabschiedet. Das ursprünglich angestrebte beschleunigte Verfahren wurde aufgrund der breiten Öffentlichkeit und Aktivitäten der Bürgerinitiative nicht weiter verfolgt.